Kirchen (Lutherkirche)

Die Geschichte der Lutherkirche ist eng verknüpft mit dem Druidenstein, dessen Bild das Siegel der ehemaligen Evangelischen Kirchengemeinde Kirchen zeigte.

Der Druidenstein wird „die einzigartigste und schönste Bergkuppe . . . ganz Deutschlands“ genannt. Dabei ist er in seiner jetzigen Form nur noch ein Schatten seiner einstigen Größe und Gestalt, da er lange Zeit dem Basaltabbau diente. Dass er Kelten und Germanen wegen seiner außerordentlichen Form als Kultstätte gedient hat, wird allgemein angenommen. Um dem am Druidenstein ausgeübten heidnischen Kult entgegenzuwirken, wird schon vor dem Jahr 914 an der Stelle der jetzigen Lutherkirche ein kleines Gotteshaus aus Holz errichtet. Wie die meisten alten Bergkirchen ist es dem Heiligen Michael geweiht. Im 12. Jahrhundert wird an seiner Stelle eine aus Stein gemauerte Kirche in romanischem Stil errichtet. Sie ist die Pfarrkirche des ganzen zur Freusburg gehörenden Gebietes und wird darum in alten Urkunden „Kirche zu Freusburg“ genannt. Den Ort, der sich um die Kirche herum bildet, nennt man „Kirchfreusburg“ und später „Kirchen“. Im Jahre 1770 wird das romanische Kirchenschiff abgerissen und an seiner Stelle ein großer barocker Saalbau errichtet. Der Grundstein rechts vom Eingang zur Sakristei nennt das Datum der Grundsteinlegung:

ARS MDCCLXX D XIX JUNY (Anno reparatae salutis 1770 den 19. Juni)

Der Turm der alten Kirche bleibt erhalten, doch überragt seine Haube, wie auf dem Bild deutlich zu erkennen, das hohe Dach des neuen Kirchenschiffs nur um wenige Meter.

Seit 1652 besteht in Kirchen ein Simultaneum. Das bedeutet, dass evangelische und katholische Christinnen und Christen die Kirche gemeinsam, d.h. hintereinander, nutzten. Dieses Simultaneum besteht 234 Jahre lang und wird erst im Jahre 1886 aufgehoben. Die Kirche geht daraufhin in den Alleinbesitz der Evangelischen Kirchengemeinde über und erhält den Namen „Lutherkirche“. Die katholische Schwestergemeinde baut und bezieht die heutige Michaelskirche. In den folgenden Jahren werden viele Veränderungen vorgenommen. So wird z.B. das Missverhältnis zwischen dem hohen Dach und dem viel zu kleinen Turm ausgeglichen, indem man den Turm auf die doppelte Höhe (52,42 m) bringt.

Die Lutherkirche heute

Im Jahre 1957 findet eine umfassende Renovierung statt, bei der das Innere der Kirche im Großen und Ganzen sein heutiges Aussehen erhält.

Durch die Turmhalle betritt man heute das weite, freundlich wirkende Kirchenschiff. Es erscheint hell und schlicht und betont den sakralen Charakter des Gotteshauses. Der Blick fällt auf die Ostwand mit den beiden großen vom Boden bis zur Decke reichenden Fenstern. Vor ihnen hängen seit einigen Jahren zwei runde bleiverglaste Bilder, die Motive der beiden Partnergemeinden Grüneberg und Teschendorf (Brandenburg) zeigen. Die Kirche ist – wie alle alten Gotteshäuser – nach Osten hin ausgerichtet, wo die Sonne aufgeht, wo aber auch Christus, das Licht der Welt, erschienen ist, und von wo man dessen Wiederkunft erwartet. In der Mitte steht der Altar aus Marmor mit Brot- und Fisch-Ornamenten als Hinweis auf das Speisungswunder Jesu. Über ihm hängt ein großes silbernes Kreuz, das unten von vier schmiedeeisernen Bodenleuchtern und zwei silbernen Altarleuchtern flankiert ist.

Kanzel und Taufstein sind aus dem gleichen Material wie der Altar. Der Taufstein besitzt einen kupfernen Deckel, dessen Spitze eine Taube darstellt, das Symbol des Heiligen Geistes.

An den Bänken erinnern noch die Wangen, an der Emporenbrüstung die feinen Rokokoschildchen und Rosetten an die Ausstattung des 1770 erbauten Kirchenschiffes. Die Holzsäulen tragen schöne Kapitelle mit Blumen- und Blattornamenten. Über die Emporenbrüstung zieht sich ein schmales Zierband hin.

Eine sehr aufwendige und teure Außenrenovierung des Natursteins muss in den Jahren 1980/81 durchgeführt werden. Anfang der 80er Jahre bekommt die Kirche ein neues Turmkreuz und der Ziegelturm wird verputzt.

Es folgt in den Jahren darauf die Renovierung des Daches, der Eingangsbereiche und der Außentüren. Auch für „Untermieter“ wird nun Platz geschaffen: Nistkästen für Schleiereulen und Fledermäuse. Statt der Schleiereulen ziehen jedoch Turmfalken ein, die der Kirchengemeinde ebenso willkommen sind . . .

Bei Bauarbeiten auf dem Kinderspielplatz wird 2005 eine Steinplatte entdeckt, wobei es sich vermutlich um die alte Altarplatte der Kirche handelt. Bei der Renovierung 1957 wollte man sie wahrscheinlich nicht einfach wegwerfen, sondern hat sie nahe der Kirche „beerdigt“. Auf Anregung der Denkmalspflege wird sie in der Turmhalle aufgestellt.

Die 1958 eingeweihte Orgel stammt von den Gebrüdern Oberlinger in Windesheim und enthält 3.600 Pfeifen. Die Orgel hat drei Manuale und ein Pedal mit insgesamt 38 klingenden Registern. Die technische Einrichtung ist elektrischpneumatisch.

Der Spieltisch ist auf der hinteren Empore angebracht. Das Pedalwerk befindet sich rechts und links neben dem Altar, ebenso das Pfeifenwerk des Hauptwerkes und des Schwellwerkes. Eine solche Anordnung findet man ansonsten hauptsächlich in Kathedralen. Die große Bedeutung, die die Kirchengemeinde der Kirchenmusik zumisst, wird durch den erheblichen Umfang der Orgel und die außergewöhnliche Anordnung der Pfeifen deutlich zum Ausdruck gebracht. Auf der Empore steht an der Rückwand ein besonderes Orgelwerk mit acht klingenden Registern als „Chorpositiv“. Seine beiden bemalten Flügeltüren zeigen links musizierende Engel, rechts den jungen David, der dem König Saul etwas auf der Harfe vorspielt um ihn zu besänftigen.

Die drei Bronzeglocken, 1896 in der Glockengießerei Rincker in Sinn gegossen, sind ein Geschenk von Kommerzienrat Walther Siebel und seiner Frau. Die größte Glocke trägt daher im Inneren eine entsprechende Inschrift. Auf dem Spruchband der tiefsten Glocke ist zu lesen: „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr!“ Das Gewicht dieser Glocke beträgt 2557 kg, ihr Durchmesser 1627 mm.

Die Inschrift auf der zweiten Glocke lautet: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Ihr Gewicht beträgt 1299 kg, ihr Durchmesser 1301 mm. Auf der dritten Glocke steht: „Himmelangeht unsre Bahn“. Sie ist 738 kg schwer und hat einen Durchmesser von 1085 mm.

Die drei Glocken lassen die Töne b, d und f erklingen. Die Glocken sind in der Glockenlandschaft ein wahrer Schatz, handelt es sich doch um das einzige vollständige Rincker-Geläut aus dem 19. Jahrhundert auf der ganzen Welt! Die Glocken sind harmonisch mit dem Geläut der katholischen Kirche abgestimmt.

Im linken Emporenaufgang sind zwei Grabplatten aus der Reformationszeit aufgestellt. Der kleinere Stein ist der ersten Pfarrfrau der Grafschaft gewidmet. Die 1576 im Alter von nur 28 Jahren verstorbene Katharina ist die Gattin des Pfarrers und Magisters Leopold Optichtyus.6 Er hatte in Wittenberg studiert und wurde zur Durchführung der Reformation 1565 ins Amt Freusburg berufen. Die zweite Tafel trägt die Jahreszahl 1578. Sie ist nach der Inschrift ein „Grabmal auf Dorothea Kessel, ein edles und züchtiges Mädchen“. Die Tafel ließ Graf Heinrich IV. errichten, der damals auf der Freusburg residierte. Es heißt dort in der Übersetzung u.a.: Grabmal für Dorothea Kessel, ein edles und züchtiges Mädchen. Lebend verehrte sie mit reinem Herzen

Christum, In dessen Schoß sie nun, gestorben, ihr Leben führt. Am 10. März im Jahre Christi 1578

Eine dritte Grabtafel ist außen in die Nordwand der Kirche eingelassen. Sie ist „Johann Christian Jung, Handelsmann, Schöff und Geschworener des Kirchspiels Kirchen“ und seiner Frau Anna Maria geb. Ermert gewidmet. Jung (1738 – 1808) ist der Gründer der Baumwollgarnspinnerei Jungenthal, der Vorläuferin der späteren Lokomotivfabrik Arnold Jung Für die Bevölkerung war es immer schon wichtig, die genaue Zeit zu wissen. Preiswerte Uhren gab es jedoch im Gegensatz zu heute lange Zeit nicht. Ein Ersatz dafür waren die Kirchturmuhren, die jahrelang den Takt für den Tagesablauf angaben. Das Uhrwerk, das in die Lutherkirche noch gut erhalten ist, stammt aus dem Jahr 1900 und ist eine Stiftung des Reichstagsabgeordneten Heinrich Krämer. Die Uhr wurde von der Firma Brockenem im Harz hergestellt. Heute ist das Schlagwerk an die Atomuhr in Braunschweig angeschlossen und geht auf die Millionstel Sekunde genau . . .

Anschrift:
Kirchplatz 8
57548 Kirchen